Der Gott des Gemetzels (2018)

Ein bürgerliches Wohnzimmer. Zwei gut erzogene Ehepaare sind zusammenge-kommen, um vernünftig und friedlich darüber zu sprechen, dass am Tag zuvor der elfjährige Sohn der Einen dem der Anderen bei einer Auseinandersetzung zwei Zähne eingeschlagen hat. So etwas kann passieren unter Elfjährigen, so scheinen anfangs alle zu denken, und dass sich das alles - unter zivilisierten Menschen - einvernehmlich klären lässt.
Doch ganz so einvernehmlich und einfach geht es dann doch nicht: Nach und nach brechen sich Gereiztheiten Bahn, entzün-den sich Konflikte an unglücklich oder ge-zielt gesetzten Provokationen, die Situation eskaliert und gerät außer Kontrolle, bis schließlich die Fetzen (Taschen, Tulpen, Te-lefone) fliegen und erwachsene Menschen heulen, kreischen und um sich schlagen.

Das ist - einerseits -  ein großer Spaß... und andererseits eine schöne Gelegenheit, in die Abgründe zu blicken, die sich unter den womöglich ziemlich dünnen Decken der Kultiviertheit, Zivilisation, Vernunft und des guten Geschmacks auftun. Das kann man hier am Privaten studieren - und dann getrost auch 'mal auf gesamtgesellschaft-liche Entwicklungen übertragen.
"Das Vorwurfskarussell ist das treibende Prinzip unserer Gesellschaft. Wenn irgendwo irgendetwas schiefläuft, dann hauen sich danach alle Beteiligten so lange zusammenhanglos Vorwürfe um die Ohren, bis allen schwindelig ist und sie wieder aus dem Karussell hinaustorkeln - und zwar genau da, wo sie eingestiegen sind, nur dass ihnen jetzt auch noch schlecht ist."

Marc Uwe Kling, in: "Die Tockner-Theorie", in: "Das Känguruh-Manifest"
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